Archive for the ‘Weltanschauung’ Category

… ist gut gemeint.“

So schrieb es einst Kurt Tucholsky.

Aber warum dieses Phrasendreschen? Und warum in dieser (Artikel)Kategorie?

Im Laufe der letzten zwei Jahre las ich hier und da ein paar Artikel ueber sog. „Microaggressions„, „Trigger Warnings„, „Safe Spaces“ und andere Phaenomene.
Dies ist mittlerweile insbesondere in sog. „intellektuellen Milieus“ in den USA ein Problem und scheint auch zu uns herueber zu schwappen.

Der (etwas laengere) Artikel „The Coddling of the American Mind“ gibt einen guten Ueberblick ueber die Misere. Auszerdem wird ganz gut dargelegt, warum das alles in dieser Grøszenordnung so schlecht ist.
Aber ueber diesen Artikel will ich gar nicht schreiben.

Mhm … wenn ich so drueber nachdenke, dann muss ich zugeben, dass das Folgende nur schwer zu verstehen ist, wenn man das nicht alles gelesen hat. Deswegen eine kurze Zusammenfassung: An amerikanischen Universitaeten werden die Studenten mehr und mehr mit Samthandschuhen angefasst, damit ihre Traumata nicht getriggert werden.
Keine Diskussion an dieser Stelle wie sinnvoll und wichtig dies unter bestimmten Gegebenheiten ist.

Das Thema ist relativ komplex und ich habe schon wieder viel zu viel geschrieben. Eigentlich wollte ich nur auf einen kurzen Satz aus der Studie mit dem Titel „Microaggression and Moral Cultures“ eingehen (hier eine Zusammenfassung):

Der Satz beginnt mit:

Microaggression complaints and other specimens of victimhood occur in […] settings that are fairly egalitarian […]

Das Problem ist also begrenzt auf Bedingungen, wie wir sie ja eigentlich haben wollen. Das ist der „gut“-Teil.

Der Satz schlieszt ab mit:

[…] except for the presence of strong and stable authority.

Das Problem sind also nicht die egalitaeren Gesellschaften an sich, sondern dass es immer noch eingesetzte Authoritaeten gibt. Was dann natuerlich der „gut gemeint“-Teil waere.

Da muss man sich nicht wundern, dass ich Anarchist bin.

Als Gedanke poppt da in meinem Kopf gerade folgender Gedanke auf: ich als Vater versuche extra bewusst zu sein, wann ich mein Kind beschuetzen und wann es „Kaempfe“ einfach auch mal selbst „ausfechten“ muss.

Und weil ich das prinzipiell gut finde, die Realitaet zu konfrontieren:

hm9

… facebook, twitter usw.“

So wollte ich den Artikel urspruenglich nennen, nachdem ich den bereits hier verlinkten Artikel mit dem Titel „Computer-based personality judgments are more accurate than those made by humans“ las.

Aber irgendwie scheute ich mich schon wieder so einen Beitrag zu verfassen. Das ganze Thema ist zwar immer noch aktuell, aber mittlerweile langweilt es mich, was ihr macht (oder nicht macht). Und zu eurem Glueck zwingen kann ich euch ja nicht.

Deswegen lag das Thema eine Weile rum.

Bis ich ueber „Auto-Generating Clickbait With Recurrent Neural Networks“ stolperte.

Haeh? Wie haengt der Quatsch denn zusammen?

Nun ja, anstatt des (unsexy) „Privatsphaere! Tut was!“-Themas sah ich pløtzlich den ersten Artikel mehr unter dem „Keine Arbeit mehr da!“-Aspekt.

Der zweite Artikel legt dar (wenn auch nicht mit Absicht), wie wacklig das Dogma „Inhalt wird von Menschen gemacht, deswegen muss jeder sich weiterbilden“ ist. Das ist nichts Neues, aber hier ist’s das erste Mal, dass ich euch was ganz Konkretes vor die Nase halten kann.

Aber so weit denken Leute wie ich immer noch: „Ach was soll’s! Keine Gefahr fuer mich! Ich mache keine Katzenbilderartikel, ich bin besser als die, weil meine Ausbildung besser ist.“

Der erste Artikel aber handelt ueber typische, von ausgebildeten Psychologen vorgenommene Arbeiten. Arbeiten also, die ein Studium erfordern. Arbeiten, welche Eigenschaften erfordern, die man sich nicht mal „schnell“ aneignen kann. Mit anderen Worten: dafuer muss man ernsthaft studieren.

Und pløtzlich hatte ich eine Idee, wie ich diesen Artikel doch nochmal in meinem weblog haben kann. Denn …

 

… „Verdammt nochmal, wir haben keine Arbeit mehr! Auch nicht fuer Studierte! Wir muessen das akzeptieren, in aller Øffentlichkeit diskutieren, neue Dogmen finden und die gesamte Gesellschaft muss endlich auf die naechste Stufe der sozialen Evolution steigen!“, finde ich sehr, sehr spannend.

Meine Meinung ist, dass wir vor dieser Entwicklung KEINE ANGST haben muessen! Das ist etwas Gutes, die Menschheit als Gesamtes, und jedes Individuum fuer sich selbst, wird davon massiv profitieren. Es erfordert aber … nun ja, eben neue Dogmen die „Faulheit“ (oder leichter akzeptierbar: die „Arbeit“) betreffend.

 

Meine lieben Leserinnen und Leser møgen bitte beachten, dass ich nicht „ihr, meine lieben Leserinnen und Leser schreibe“ … der Artikel ist naemlich fuer alle gemeint, und nicht nur fuer euch, meine lieben Leserinnen und Leser … selbst wenn nur ihr das lest ;) .

Diese Frage diskutierte Hermann Rampacher, den ich bereits an anderer Stelle zitierte, bereits vor einiger Zeit.

Rampacher ist Physiker und geht mit einem entsprechenden „Werkzeugkasten von Methoden“ an derartige Probleme heran. Deswegen fand ich es lohnenswert seine Artikel zu lesen. Obwohl diese recht lang und trocken sind.

Wieauchimmer, in Abschnitt 3.1 — Risikokorrelationen als Grund der Entstehung von Zielkonflikten — schreibt er:

Je mehr Verantwortliche sich – schon ohne aufwendige soziale Kontrolle – richtig verhalten, desto weniger Risikokorrelationen werden aktiviert, desto weniger normative Zielkonflikte gefährden den Zusammenhalt der Gesellschaft

Und das ist im Grunde genommen das Fundament auf dem die Anarchie ruht

Wir sind halt Traeumer die fest daran Glauben, dass Menschen im Grunde genommen gut sind :) .

Vor einer Weile berichtete ich kurz ueber die Propaganda von Idioten.

Die Anarchisten hier in Norwegen Eine Gruppierung von Anarchisten hier in Norwegen haben da natuerlich eine deutlich andere Meinung:

Motmakt

Dort steht: „Sterke Folk Trenger Ikke Sterke Ledere“ – Starke Menschen brauchen keine starken Fuehrer.

Toll wa! Diese Anarchisten :)

Wobei natuerlich alle Anarchisten diese Meinung haben. Nur sind die nicht alle Teil der Gruppierung „motmakt“ (Gegen Macht).

 

Alexei Borovoi schrieb einst:

No social ideal, from the point of view of anarchism, could be referred to as absolute in a sense that supposes it’s the crown of human wisdom, the end of social and ethical quest of man.

Das beinhaltet natuerlich auch den Anarchismus selber.

Den gesellschaftlich/politischen Zustand der westlichen (sog.) Demokratien betrachtend, ist diese bald 100-jaehrige Aussage auszerordentlich modern.

Jacob Bronowski schrieb, auf Auschwitz Bezug nehmend:

Look for yourself. This is the concentration camp and crematorium at Auschwitz. This is where people were turned into numbers. Into this pond were flushed the ashes of some four million people. And that was not done by gas. It was done by arrogance, it was done by dogma, it was done by ignorance. When people believe that they have absolute knowledge, with no test in reality, this is how they behave. This is what men do when they aspire to the knowledge of gods.

 

So fragte Dietmar Dath 2004 in seinem Artikel „Ich und du und die Welt dazu„.

Dann holt er etwas weiter aus:

Es gibt liberale Leute, die fest davon überzeugt sind, keine Rassisten zu sein, und dennoch besorgt sind, daß die Immobilienwerte fallen, wenn Ausländer in die Nachbarschaft ziehen.

Um zu einer ganz guten Beschreibung leider all zu vieler sog. „Bildungsbuerger“ zu kommen:

Soweit Rassismus nicht einfach heißt „ein böser Mensch sein“, sondern „sich weigern, die Tatsache anzuerkennen, daß ethnisch homogene Gemeinschaften keine Zukunft haben, wenn wir vernünftig zusammenleben wollen“, irren sich diese Leute über ihre eigene Überzeugung.

Man kønnte meinen er schreibt ueber das Europa des Jahres 2015 :( .
Und WEHE! da sagt jetzt nochmal jemand solche Sachen wie „pegida und so, dass konnte ja niemand ahnen“. Dietmar schrieb das in 2004!

Jedenfalls, so weit so prima. Passt das Zitierte doch gut ins eigene Weltbild. Aber wir haben es hier mit eine Text von Dietmar Dath zu tun.

Man spiele dasselbe für andere unbeliebte subjektive Zustände wie „Geiz“ oder „Neid“ durch, […]

pfff … easypeasy

[…] dann für angenehme und löbliche wie „Liebe“ und „Vorsicht“, […]

Jaaaaaa?

[…] und man wird sehen, daß das Verhältnis, das man zu den eigenen Einstellungen, Meinungen und Gedanken hat, zwar einzigartig ist, aber nicht weniger irrtumsanfällig als dasjenige, das man zu den Meinungen anderer oder den Vorgängen in der Welt unterhält.

Verdammt! Er hat ja so recht. Aber das Wissen darum macht’s nicht einfacher das auch zu bemerken.

ABER, und hier kommt der Clou (auch wenn der Zusammenhang zu den obigen Zitaten sich nicht auf den ersten Blick erschlieszt):

[…] daß Gedankenprozesse zwar […] in jedem einzelnen Fall mit physiologischen, neuroelektrischen Prozessen identisch sind, daraus aber noch lange nicht folgt, daß es etwas so Spiritistisches wie „psychophysische Gesetze“ geben müsse, die es etwa erlauben würden, vom gegenwärtigen Zustand eines Gehirns zwingend auf die nächsten Gedanken zu schließen, die es denken wird.

Oder anders: wir haben einen freien Willen.
Und auch wenn Propaganda scheinbare „psychophysische Gesetze“ ausnutzt, so entscheiden wir uns immer noch selber, welcher Propaganda wir folgen.

Positiv gesehen: Menschen kønnen sich aendern. Wir als Gesellschaft muessen das nur wollen. Und all dies am besten ohne, dass unsere guten Ideen dabei selber zur Ideologie werden.

Wenn Murray Bookchin ueber „links“ sprach, dann meinte er damit

the great tradition of human solidarity and a belief in the potentiality for humanness.

Und das passt doch zu diesen Tagen, in denen traditionelle humanistische Werte so hochgehalten werden.

Aufklären!

So steht es in der bereits hier erwaehnten Studie der Otto-Brenner-Stiftung mit dem Titel „Hohle Idole – Was Bohlen, Klum und Katzenberger so erfolgreich macht„.

Weiter heiszt es dort:

Aufklären heißt nicht schimpfen, sondern die Strategien der Inszenierung decodieren und die offenen wie heimlichen Inhalte dieser Shows transparent machen.

Und das gilt natuerlich nicht nur fuer diese Art von Indoktrination der Massen via TV.

DESWEGEN sind Menschen wie Edward Snowden, Chelsea Manning, Daniel Ellsberg, oder Institutionen wie wikileaks oder netzpolitik.org so wichtig. Wobei das nur die sind, die mir auf die Schnelle in den Kopf kamen.

Dazu zaehlt bspw. auch das Gespraech zwischen Ranga Yogeshwar und Frank Schirrmacher, welches ich in meiner Artikelserie „Zaesur“ etwas genauer vorstellte.
Jedes kleine bisschen ist wichtig. Auch die kurze Frage, wie viele Tuerken denn der mit am Tisch sitzende, Propaganda nachplappernde Mensch, denn ueberhaupt persønlich kennt. Auch der kurze Diskussionsbeitrag mit richtigen Zahlen, eigentlich zu egal welchen Themen. Auch der kurze Beitrag im eigenen Weblog, der nur einen Link und einen kurzen Kommentar enthaelt, weil man dem Verlinkten nur wenig hinzufuegen kann. Auch das mehr Geld ausgeben fuer nachhaltige Produkte, seien es die økologischen Eier oder das Sofa, welches nicht bei ikea gekauft wurde, oder der Wechsel zu Strom aus regenerativen Energiequellen. Auch das Mitmenschlichkeit zeigen, wenn man eine Straszenzeitung nicht nur kauft, damit der Mensch weg geht. Auch das offene Sprechen ueber stigmatisierende Sachen (sei es bspw. die eigene Armut oder Depression), sofern dies einem møglich ist.
ALLES hilft, was die bestehenden Verhaeltnisse in Frage stellt.

Und dabei kommt es ueberhaupt nicht drauf an, das jeden Tag zu tun. Oder aus voller Ueberzeugung. Ich lasse mich hier nur ueber so viele Dinge aus, weil ich die Kapazitaeten dazu habe; Zeit, Musze und Freude am Schreiben (und lesen).
Es reicht vøllig, ueberhaupt etwas zu tun. Ich denke, dass meine Leserinnen und Leser sich in mindestens einigen der obigen Beispiele wiedererkennen.

Neulich sasz ich in einem Cafe und asz. Es war Freitagabend und Menschen denen es gut geht hatten sich fein gemacht und waren dabei auszugehen (das beinhaltet mich). Und alle gingen an dem Bettler vorbei (das beinhaltet auch mich). Eine Person, die ich aufgrund der Kleidung und des Gebarens (und ohne weiteres Wissen) in die Schublade „Hat vermutlich selber genug Probleme und wuerde auch gerne mit den anderen feinen Leuten ausgehen“ packte, gab dem Bettler etwas.
Aufklaerung durch Handlung. Zumindest auf mich hat es gewirkt.

Und dann sind da natuerlich die ganz Groszen. So wie Dietmar. Oder Edward Snowden und die anderen oben erwaehnten. Oder wie mein Opa. Der durch sein Auftreten, seine Meinung, seine Gespraeche mit mir, ueberhaupt erst einen politischen Menschen aus mir machte.

Eben jene Menschen, die die Welt ein kleines Stueckchen besser machen. Mensch fuer Mensch oder auch eine gestoppte, dumme nachgeplapperte Propaganda nach der Anderen.

Und das muessen (!) WIR nun weiter tragen!

Und wir duerfen uns nicht entmutigen lassen. Auch wenn scheinbar (!) gilt, dass egal wie viel der Einzelne tut, es sowieso niemals genug sein wird.

Die Strategien der groszen Inszenierung die sich Welt und Staat und Lebensumstaende etc. pp. nennt, decodieren.

In 2006 schrieb Dietmar in „Was unter dem G-Strich steht„:

Einen Menschenschlag namens „die Intellektuellen“ – als Stamm, Stand, Schicht oder gar Klasse – sollte […] [man sich] langsam abschminken, jedenfalls solange es so leicht ist, zwischen den beiden größten, schwer antagonistischen Untergruppen dieses angeblichen Kollektivs zu unterscheiden.

Allein das waere ja schon einen Extrabeitrag wert gewesen … tihihi.

Aber was fuer Untergruppen sind das denn?

Hier der Freundeskreis des Bestehenden, […], die ganz ernsthaft und unschuldig […] finden, daß das alles schon mehr oder weniger ganz richtig eingerichtet ist […]

Da habe ich mal die … mhm … wertenden Worte herausgenommen. Der Dietmar haelt naemlich mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Ein weiterer Grund, warum ich das was er schreibt so mag.

Und dann war da noch die andere Gruppe. Bei diesem Zitat lasse ich die glorifizierenden Worte mal drin. Sind’s doch verbale Streicheleinheiten :mrgreen:

[…] dort dagegen die Ankläger, belesenen Dissidenten, die asketischen Sozialisten, welche unbedingt wissen müssen, woher es kommt, daß man es auf dieser Welt unter Leuten kaum aushält.

Wie gesagt: zum verrueckt werden.

Und nicht vergessen, was im ersten Zitat steht: mit „Intellektuellen“ hat das alles ueberhaupt nichts zu tun. Das vergesse ich so leicht, da ich mich in diese Gruppe mit der schønen Beschreibung, so bereitwillig selbst einordne.