Dieses Datum errechnte James Ussher als den Tag an dem die Welt erschaffen wurde. Leute die sich fuer rational, skeptisch (und meist auch fuer „wissenschaftlich informiert“) halten machen sich da gerne drueber lustig.

Vor mittlerweile so einigen Jahren schrieb ich meine Science-Artikel als Kritik gegen Scott Adams „Science Biggest Fail“. Darin steckte schon der Keim dessen was ich bis heute oft als „es-gibt-keine-ganz-echte-123-prozentige-immer-gueltige-wahre-Wahrheit“ asudruecke. Dies wurde weiter „verfeinert“ und ich fasse diese Ideen und Gedanken (und vieles mehr) unter dem Begriff „Post-Dingens“ (meistens Post-Modernismus) zusammen; damit ich nicht immer so viel schreiben muss.

Vorhang auf fuer Stephen Jay Gould (der beruehmte Palaeontologe, Geologe und Evolutionsbiologe) und seine Verteidigung Usshers (braucht ’ne Weile um zu laden). An dieser Stelle møchte ich kurz einfuegen, dass das Internet Archive voll toll und super wichtig ist! Es ist total einfach denen Geld zu spenden. Ich empfehle damit aber bis zur Weihnachtszeit zu warten, denn (mindestens) die letzten drei Jahre hat ein (anonymer) reicher Dude jede Spende verdreifacht. Es ist effizienter und „more bang for the buck“ denen 25 Euro zukommen zu lassen als Wikipedia. Aber ich schweife ab und deswegen nun zurueck zu Gould’s Verteidigung von Ussher und seinem Datum.

Zunaechst sei zu sagen, dass Gould dem konkreten Resultat von Usshers Forschung vehement widerspricht. Als (moderner) Geologe hatte Gould deutlich bessere Daten und Methoden um das Alter der Welt korrekt(er) abzuschaetzen. Darauf komme ich am Ende nochmal zurueck. Aber (alle Hervorhebung in allen Zitaten sind von mir) …

I [Gould] shall be defending Ussher’s chronology as an honorable effort for its time and arguing that our usual ridicule only records a lamentable small-mindedness based on mistaken use of present criteria to judge a distant and different past […].

Und da steckte der Postmodernismus wieder seinen Kopf hervor ;) . Wahrheit ist abhaengig vom Kontext. Das bedeutet NICHT, dass alles relativ ist! Einen Menschen zu tøten weil man „Lust“ drauf hat ist unter keinen Umstaenden richtig (was immer Letzteres auch bedeuten mag). Ein Stein faengt selbst dann nicht an zu schweben wenn man es ganz dolle møchte. Und wenn ich besagten Stein auf den Kopf bekomme, dann ist der IMMER haerter als die weiche Masse die ich bin. Aber Ersteres macht es auch nicht verkehrt, die Psyche von Massenmørdern zu untersuchen. Das Zweite macht Star Wars nicht verwerflich als nette Unterhaltung. Und Letzteres ist mitnichten so, wenn ich an den massiven leeren Raum zwischen den Atomen des Steins denke. Das sind alles ganz klare Beispiele wo jeder zustimmt, dass man das unter verschiedenen Gesichtspunkten sehen muss. Schwerer wird es bei der Beurteilung von Menschenrechten in verschiedenen Gesellschaften und Zeiten. Aber ich schwoff schon wieder ab. Ich wollte eigentlich nur kurz ueber Gould und Ussher schreiben.

Es gab auch andere Versuche das Alter der Welt zu datieren. Die kamen dann auf ein paar Millionen Jahre. Das ist deutlich mehr als Usshers Datum, aber letztlich genauso weit weg vom (høchstwahrscheinlich) wahren Alter der Erde. Diese Versuche werden aber nicht so laecherlich gemacht wie Usshers Resultat.

Other worthies are praised for good tries in a scientific spirit (even if their ages are way off), but Ussher is excoriated for biblical idolatry and just plain foolishness. How could anyone look at a hill, a lake, or a rock pile and not know that the earth must be ancient?

Das ist aber nicht richtig und genau der Grund warum ich einen Teil im ersten Zitat fett machte. Denn erst das Konzept des radiaktiven Zerfalls erlaubte uns das Alter richtig zu bestimmen. Neue Konzepte? … Da war doch schonmal was … ach ja … das hier.
Oder anders:

[…] what sense can be made of blaming one age for impeding a much later system that worked by entirely different principles? […] The proper criterion must be worthiness by honorable standards of one’s own time. […]

Of course Ussher could hardly have been more wrong about 4004 B.C., but his work was both honorable and interesting […].

Und wenn man mal mehr als nur die ueblichen paar Bemerkungen ueber das Datum und Ussher liest, dann ist das ziemlich einleuchtend.

Ussher represented the best of scholarship in his time. He was part of a substantial research tradition, a large community of intellectuals working toward a common goal under an accepted methodology […]

Die akzeptierte Methodologie war natuerlich nicht die wissenschaftliche Methode so wie wir ein paar Menschen die heutezutage benutzen und von der ein paar Aspekte allgemeines Gut wurden in einigen Teilen der Gesellschaft. Ach du meine Guete! Erst wollte ich schreiben „Die wissenschaftliche Methode die wir heute benutzen“. Aber dann bemerkte ich dass dem im Allgemeinen ja gar nicht so ist und es wurde das obige Satzungetuem draus. Wieauchimmer, die akzeptierte Methodologie war damals, dass die Bibel KEINE Fehler hat, also im wesentlichen buchstaeblich zu interpretieren ist.

Today we rightly reject a cardinal premise of that methodology–belief in biblical inerrancy–and we recognize that this false assumption allowed such a great error in estimating the age of the earth.

Aber damals konnten selbst die gebildeten Leute das nicht besser wissen.
Und wenn ich mir das so ueberlege, dann frage ich mich, worueber die Leute in 500 Jahren sich lustig machen … Quantenphysik? Laecherlich! Atome? Zum schieflachen! Vierdimensionale Raumzeit? Wie suesz. Zweisamkeit und Familie? Barbaren! Beethoven, Ibsen, Warhol! Die hatten ’ne intuitive Ahnung von der Wahrheit! … Ja, ich nehme extra Beispiele die mir persønlich sehr am Herzen liegen und viel dessen ausmachen was ich als meine „Essenz“ bezeichnen wuerde.

Andere Wissenschaftler (ja ich nenne diese Leute so!) vor und nach Ussher kamen zu aehnlichen Ergebnissen. Unter ihnen der unsaegliche Newton und Kopernikus! Und das hørt sich fuer mich sehr nach Prozessen an, die heutzutage als integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Methode angesehen werden. Ein anderes konkretes Beispiel dieser Prozesse waere das was Gould bzgl. des konkreten Datums (23. Oktober) schreibt:

[…] where did Ussher get October 23, 4004? Surely, neither the Bible nor any other source gives a specific date, even if you can estimate the year. Was this date, at least, a bow to dogma, even if the rest of the chronology has more scholarly roots?

No, not dogma, but a different style of interpretive argument–one based on symbol and eschatology rather than on listed chronology. (You cannot label this style as dogma, if only because each point became a subject of lively disagreement and fierce debate among scholars. […])

Heutzutage nennen wir das „Peer-Review“.

All dies kann in nur einem  in einem Satz zusammengefasst werden:

Ussher’s chronology is a work within the generous and liberal tradition of humanistic scholarship […].

Abschlieszen møchte ich diesen Beitrag so wie Gould seine Verteidigung Usshers abschlieszt …

[…] with a final plea for judging people by their own criteria, not by later standards that they couldn’t possibly know or assess.

Und das ist nicht nur in der Wissenschaft so.

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