Mit seiner Paradies-Filmreihe hat Ulrich Seidl eine bemerkenswerte Trilogie geschaffen.

Das weltliche Ferienparadies, immer vor Augen; Paradies: Liebe.

Vordergruendige handelt dieser Film von aelteren Frauen die nach Afrika fahren um sich dort Sex zu kaufen. Ich freue mich sehr, dass wir (scheinbar?) alle mittlerweile so zivilisiert sind, dass wenigstens einige Kuenstler sich trauen, dies in ihren, durchaus fuer das breite Publikum gedachten, Werken, direkt und ohne vorgehaltene Hand oder dem erhobenen Zeigefinger, zu thematisieren.

.oO(Was fuer ein toller Satz. Ich hoffe meine lieben Leser verzeihen mir, dass ich, entgegen meiner eigentlichen, derzeitigen Entwicklung auf dem Gebiet des geschriebenen Wortes, auf billige Art und Weise versuche, einen der groeszten Wortkuenstler unserer Zeit – Dietmar Dath – zu kopieren.) […]

Zwei, nur scheinbar, weniger hervor stechende Themen des Films sind zum Einen, wie wir Europaer uns doch immer noch wie (zwar durchaus wohlwollende, aber nichtsdestotrotz ueberlegen fuehlende) Kolonialherren auffuehren, so wir denn die Møglichkeit dazu haben. Dies wird nur nicht so direkt angesprochen. Im Gegensatz dazu sprechen die handelnden Person direkt darueber, dass ihnen ihre nicht perfekten Kørper maekelig gemachen werden. Sehr direkt von ihren (Ex)Partnern, aber eigentlich als inherentes Verhalten der Gesellschaft. Deswegen scheint die Akzeptanz der eigenen Sexualitaet nicht møglich.

Dieses oben erwaehnte Paradies ist nur ein scheinbares, da es nicht schafft, die ebenso scheinbare, da eingeredete, Unvollstaendigkeit des Menschen zu fuellen. Liebe gibt es fuer die Hauptperson in diesem Paradies nicht.

Die, mindestens fuer mich offensichtliche, aber von vielen Menschen so gern als Wahrheit akzeptierte, Luege des jenseitigen Paradieses, zweier der „abrahamschen Religionen“ (mich duenkt dies ist auch der Fall fuer den Islam; dies sollte aber vom interessierten Leser ueberprueft werden), ist Thema von Paradies: Glaube.

Von allen drei Filmen ist dieser, fuer Leute wie mich, am leichtesten zu ertragen. Jesusspinner sind immer fuer einen Lacher gut, darob des hanebuechenen ud offensichtlichen Unsinns den eben diese von sich geben. Das gilt natuerlich fuer jede Form der Religion, aber das Christentum steht nunmal im Mittelpunkt dieses Films.
Die hauptsaechlich handelnde Person hofft auf den Eingang in eben jenes Paradies durch auferlegen von Strafe. Auferlegen auf sich selbst und aufzwingen auf andere. Dabei verletzt sie aber immerfort die von ihr gepredigten Dogmen.

Die Offensichtlichkeit der Luege ist selbst fuer, nach auszen hin, streng glaeubige Personen, unter Gewissen Umstaenden nicht mehr zu uebersehen. Auch wenn solche Personen immer versuchen derartige Umstaende mit der „Dein Wille geschehe, magst du mich nach deinem Gutduenken pruefen“-Decke kuschelig zu machen. Diese Decke ist jedoch eine sehr harte, und eine viel zu kleine, um das Offensichtliche verstecken zu kønnen. Wahren Glauben kann es deswegen fuer die handelnde Person in diesem Paradies nicht geben, da es ein scheinbares ist.

Das einzig wahre Paradies, das reale Universum, da dieses so voll ist mit unendlichen Møglichkeiten, ist Thema des dritten Films, Paradies: Hoffnung.

Anders als die ersten beiden Filme, in denen die Handlungen und Themen ineinanderflieszen, so sind die dargestellten Themen dieses Films getrennt, auch wenn sie sich begegnen.

Das erste Hauptthema baut sich auf um Kinder, die von ihrer Masse her nicht in die allgemein akzeptierten Tabellen passen, was als eine Gemeinsamkeit und Bruecke zum ersten Film gesehen werden kann, und deswegen von ihren Eltern in ein Diaetcamp abgeschoben werden.

Nicht verletztende, nicht verletzen wollende, Hingezogenheit von Erwachsenen zu Nicht-Erwachsenen ist das andere Hauptthema des Films. Dies als bewusster Unterschied zum ersten Teil, in dem explizit auch die sexuelle Begierde thematisiert wird, in diesem Falle der Wunsch nach nicht sexueller Naehe eben zu Nicht-Erwachsenen. Ein wichtiges, aber kompliziertes und brenzliges, leicht entzuendliches, explosives, Thema, ueber das ueblicherweise in keinster Weise in der Øffentlichkeit vernuenftig, d.h. mit Hilfe von wissenschaftlichen Erkenntnissen, diskutiert wird, sondern nur in Form von Dogmen; womit die Verbindung aller drei Filme hergestellt ist.

Von allen drei Filmen hat mir dieser am besten gefallen. Denn waehrend die Liebe im Ferienparadies und der wahre Glaube im Angesicht der offensichtlichen Luege eines jenseitigen Paradieses unerreichbar bleiben, so macht doch die Hoffnung des realen Universums Mut. Diese Hoffnung, auf vielfaeltigen Gebieten, basiert derzeit leider all zu oft auf keinerlei realen Beobachtungen. Aber manchmal eben doch.

Und deshalb die Hoffnung, dass wir als Gesellschaft, und als Individuuen, es møglicherweise doch irgendwann mal schaffen, uns und andere Menschen so ins positive zu wandeln, dass Menschen nicht mehr verdinglicht und dadurch sich selbst entfremdet werden (nur, damit ihnen noch mehr unnuetzer Kram angedreht werden kann), dass wir Dogmatismus universell ueberkommen und lernen ueber Dinge einfach zu reden wie sie sind um diese nøtigenfalls nach ethischen und nicht nach den jeweils gueltigen moralischen Normen zu aendern.

Diese Hoffnung wurde zu einem spæteren Zeitpunkt wieder bestaerkt. Aber dazu mehr an passender Stelle.

Im uebrigen sind allen drei Filmen die Themen Einsamkeit, Suche und die Nichterfuellung der Begierden gemeinsam. Aber diese drei all zu offensichtlichen Blickwinkel auf die Filme, mag ich nicht thematisieren, da ich denke, dass ich damit nur wiederholen wuerde, was andere Rezensenten, welche sich deutlich besser ausdruecken kønnen als ich, an anderer Stelle bereits taten.

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