Schon vor einer ganzen Weile wurde mir ein Artikel von A. M. Stauffer mit dem Titel „Legends of the Mummy Paper“ in Printing History (new Series) no. 8, 2010, pp. 11-16 zugespielt.
Ich erhielt den als eine Papierkopie. Faktisch sah meine Kopie sogar aus wie eine Kopie einer Papierkopie. Zu dem Zeitpunkt bemerkte ich das nicht weiter, nichtsahnend, dass dies ein deutlicher Hinweis darauf ist, wie schwer an eine digitale Kopie zu kommen ist.
Das ist so ein obskures Journal, dass deren Webseite aussieht wie vom Anfang des Jahrtausends. Und die haben nicht mal Abrisse der Artikel!
Die uebliche Quelle konnte auch nicht liefern.
Beim Autor selbst steht das zwar in der Liste seiner Publikationen, aber kein Link zu einer Preprint-Version. Da haette ich sicherlich nach einer Kopie fragen kønnen, aber das waere ja unnuetz gewesen fuer euch, meine lieben Leserinnen und Leser.
Selbst die Internetsuche nach genau diesem Titel ergab nur 6 Treffer. Aber da hatte ich endlich Glueck. Ist zwar nur der Text des Artikels, aber das ist besser als nix, nicht wahr. Ich versuche ja immer meine Quellen anzugeben, wenn ich ueber was schreibe.

Soweit zur Vorrede.

Eigentlich ging es mir aber gar nicht um den Artikel an sich.
Die Legende, dass fuer eine zeitlang in Amerika Papier aus Mumien gemacht wurde ist kurzweilig und interessant und Tante Wikipedia gibt eine gute Zusammenfassung. Zum Verstaendnis des Weiteren reicht es aus zu wissen, dass frueher Lumpen ein wichtiger Bestandteil bei der Herstellung on Papier waren. Daher war ja auch der Lumpensammler ein echter (wie so viele andere, stigmatisierter) Beruf.
Aufgrund des gewaltigen Anstiegs der Papierproduktion in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wurden Lumpen aber knapp und da haben die Kapitalisten sich nach neuen Quellen dafuer umgeschaut. Eine davon waren Mumien.
Aber auch darum geht es mir nicht (obwohl es sich durchaus lohnt den Links zu folgen.

Vielmehr geht es mir darum, dass mich dieser Artikel (bzw. die ganze Sache) auf ein maechtiges Loch in meinem Verstaendnis des Geschichte der Menschheit aufmerksam gemacht hat.

Denn wenn ich so an „Mumien“ denke und mir dann mal ueberlege, wie viele es davon geben kønnte, so wuerde ich sagen: vermutlich ’n paar Tausend … mglw. ’n paar Zehntausend.
Aber dann las ich in besagtem Artikel dies:

[…] [19th century capitalists] looked upon mummy-paper as a reasonable possibility and pursued it–however far it was pursued–in a spirit of entrepreneurship, or strip-mining.

Wait! What?

Strip mining!???!!!

DAS hier …

Autor: Raimond Spekking, Quelle, Lizenz: CC BY-SA 4.0

… verstehe ich unter „strip mining“ … und der Rest der Welt anscheinend auch.

Wieviel Mumien gibt es, dass ueberhaupt jemand auf die Idee gekommen ist, die im Tagebau „abzubauen“?

Diese Frage irritierte mich etwas. Also setzte ich mich mal hin (im uebertragenen Sinne) und ueberlegte mal.
Ægypten hat schon etliche tausend Jahre auf dem Buckel. Auszerdem war die Nahrungsversorgung in Ægypten ueber diese Jahrtausende aeuszerst stabil. Die hatten also nicht wirklich Probleme ihre Bevølkerung auch schon vor 5000 Jahren stabil (und hoch) zu halten. Und tatsaechlich, es wird geschaetzt, dass es damals ’n paar Millionen alte Ægypter gab.

Eine Tatsache die mir aber so nicht bekannt war, ist, wie populaer es war sich mumifizieren zu lassen.
Zum Einen liegt es sicherlich daran, dass man in der Schule und im Museum immer nur die Mumien der Obrigkeit sieht. Das aber macht ueberhaupt nicht klar, dass Mumifizierung ein kompletter (sehr wichtiger) Industrizweig war und ganze Zulieferindustrien (bspw. fuer Salz zur „Entwaesserung“ des Kørpers) brauchte. Erst ein neuartiger Bildungskanal (Computerspiele) brachte mir dies mittels Assassin’s Creed Origins nahe. Ueberhaupt ist dieses Spiel ziemlich gut darin, den Alltag im alten Ægypten so genau wie es das Medium zulaeszt darzustellen.
Zum Anderen liegt der Ursprung meiner (laengst nicht vollstaendig gefuellten) Wissensschlucht bestimmt auch in dem Folgenden begruendet. Eine religiøse Herangehensweise an meine Leben geht mir total ab. Bzw. in diesem Fall die Herangehensweise an das was was nach dem Tode des Kørpers Gehirns passiert (siehe bspw. hier). Und deswegen konnte ich das auf dieser Ebene auch gar nicht verstehen, wie wichtig das fuer die alten Ægypter war, sich mumifizieren zu lassen.

Mit all diesen Informationsfetzen in der Hand, war dann die Vorstellung des „Mumientagebaus“ gar nicht mehr so weit hergeholt.

Und persønlich war ich sehr erfreut, diese Bildungsluecke geschlossen und dem Verstaendnis der Menschheit an sich wieder ein klitzekleines Stueckchen naeher gekommen zu sein :) .

Ach ja, Fasern aus Lumpen werden auch heute noch zur Papierherstellung benutzt. Insbesondere fuer Papier mit høherer Qualitaet. Aber der Anteil ist deutlich geringer als frueher (im unteren einstelligen Prozentbereich).

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