Die letzte Spalte in der bekannten Tabelle ist das kumulierte Risiko. Gleich zu Anfang ein Achtung: Das ist in Prozent und NICHT per 100.000 (Einwohner).

Intuitiv ist das einfach zu verstehen: diese Zahl ist die Wahrscheinlichkeit innerhalb einer gewaehlten Zeitspanne an (einem gegebenen) Krebs zu erkranken. In Wahrheit ist’s aber nicht ganz so einfach und ich muss etwas ausholen.
Zunaechst ist wichtig, was ich zur Crude Rate sagte:

[…] die Crude Rate ist die _jaehrliche_ Chance an (einem gegebenen Krebs) zu erkranken, wenn man sich in einer gegebenen Altersgruppe befindet.

Eine Altersgruppe geht ueber fuenf Jahre und somit kommt man fuer jede Altergruppe zur kumulativen Rate (Achtung: Rate ist NICHT Risiko!) indem man die Crude Rate einfach mit fuenf multipliziert. Geht man ueber mehrere Altersgruppen, addiert man die kumulativen Raten einfach auf.
Das ist auch noch intuitiv und fuer junge Menschen sind die Werte fuer die kumulative Rate und das kumulative Risiko im Wesentlichen gleich. Fuer mittelalte Menschen (so ab 50) werden Diskrepanzen bemerkbar, aber man kann bis ungefaehr zum durchschnittlichen Lebensalter gehen und sagen, dass man diese beiden Werten noch gleich interpretieren kann, weil die Abweichung nicht all zu grosz wird. Danach sollte man das nicht mehr tun.

Der Grund, dass es zu grøszer werdenden Abweichungen kommt, liegt zum Einen wieder darin, dass man eigentlich die „person-years at risks“ nehmen muss. Darauf gehe ich auch diesmal wieder nicht weiter ein.
Zum Zweiten geht man bei der Rate immer davon aus, dass man eine Population von 100.000 Leuten hat. Oder anders: konkurrierende Todesursachen werden nicht in Betracht gezogen und somit gilt das nur fuer Leute die es ueberhaupt bis in die Altersgruppe schaffen. In der Realitaet ist die kumulative Rate eine UEBERabschaetzung, denn von den 100.000 Leuten sind ja schon ein paar verstorben. Somit ist die tatsaechliche Anzahl von Krebsfaellen etwas kleiner, einfach weil es nicht mehr so viele Leute gibt, die Krebs bekommen kønnen.

Bei der Berechnung des wahreren kumulativen Risikos wird (durchaus plausibel) angenommen, dass die Anzahl der betrachteten Menschen exponentiell abnimmt. Das alles kann man in den informativen ersten Abschnitten des Artikels „What is the lifetime risk of developing cancer?: the effect of adjusting for multiple primaries“ von Sasieni, P. D. et al. im British Journal of Cancer 150 (3), 2011, pp. 460–465 nachlesen. Dort findet man dann auch noch Methoden welche die Abschaetzung des Risikos weiter verbessern. Diese Verbesserungen beinhalten bspw. die Benutzung sogenannter „Life Tables“ (die bereits an anderer Stelle erwaehnt und benutzt wurden) um besser abzuschaetzen, wie viele Menschen einer gegebenen Kohorte, wenn sie eine gegebene Altersgruppe erreichen, (mehr oder weniger) tatsaechlich noch am Leben sind. Auszerdem kann man auch noch in Betracht ziehen, dass Leute mehrfach Krebs bekommen kønnen. All dies reduziert das wahre(re) kumulative Risiko, aber dafuer braucht man noch viel mehr Daten als ich (oder die Tabelle) zur Verfuegung habe.

Worauf ich hinaus will: das tatsaechliche kumulative Risiko ist (insb. fuer alte Altersgruppen) kleiner, weil die Leute an anderen Sachen als Krebs sterben. Im Artikel von Schouten, L. J. et al. mit dem Titel „Cancer incidence: life table risk versus cumulative risk.“ im Journal of Epidemiology and Community Health, 48 (6), 1994, pp. 596–600 gibt es ein paar sehr schøne und leicht zu verstehende Graphen bezueglich dieses Sachverhalts.

Fuer meine Zwecke ist das aber im Wesentlichen irrelevant. Zum Ersten habe ich die Zahlen mal rueckwaerts gerechnet und in der Tabelle sind alle kumulativen Risiken nur einfach korrigiert; also nur unter der Annahme, dass die Menschenzahl exponentiell abnimmt. Dies sowohl fuer das kumultive Risiko ab Geburt, als auch innerhalb der einzelnen Altersgruppen.
Zum Zweiten will ich ja ueberleben, also eben NICHT zu dem Teil gehøren, der zur „exponentiell abnehmenden Menschenzahl“ fuehrt. Unter dieser Voraussetzung ist sogar die (høhere) kumulative Rate (also einfach nur fuenf mal die Crude Rate) richtig.
Das Zweite ist dann (wieder) der bereits erwaehnte Unterschied zwischen Zahlen die richtig sind fuer ganzheitliche Betrachtungen und Zahlen die richtig sind fuer individuelle Betrachtungen … statistische Aussagen und Zahlen in den richtigen Zusammenhang zu setzen und richtig zu interpretieren kann manchmal ganz schøn knifflig sein.

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